Auch an der Wagniskapitalbranche sind die letzten Monate nicht spurlos vorbeigegangen. Vor allem die Änderung des Zinsumfeldes macht dem System zu schaffen: Nach einem mehr als eine Dekade währenden Niedrigzinsregime müssen sich die Akteure an die Gegebenheiten einer ganz neuen Finanzlandschaft anpassen. Dieser Umbruch macht sich in allen Bereichen und Finanzierungsstadien bemerkbar und hat auch in den jüngsten Quartalszahlen seine Spuren hinterlassen: Sowohl bei den Abschlüssen als auch bei den Exits und der Mittelbeschaffung liegen die Werte deutlich unter den Höchstständen der vergangenen Jahre.
Doch Experten machen bereits eine Trendwende aus. Diesbezüglich verweist Finanzunternehmer Artan Qelaj aus Zürich auf den jüngsten «Venture Monitor» aus dem Hause des Privatmarkt-Datenspezialisten PitchBook und der National Venture Capital Association (NVCA).
Investitionsvolumen gegenüber Rekordwerten geschrumpft
Auf insgesamt 39,8 Milliarden US-Dollar summierten sich die Wagniskapitalinvestitionen in den Vereinigten Staaten im 2. Quartal 2023. Die auf den ersten Blick weniger erfreuliche Nachricht: Gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht das einem Rückgang von 48 Prozent. Doch wie Artan Qelaj hervorhebt, sehen die Analysten in den Vierteljahreszahlen ungeachtet dessen erste Anzeichen für eine Stabilisierung des Wagniskapitalmarktes. Denn das Kapital, das in diesen drei Monaten in US-amerikanische Start-ups geflossen ist, blieb damit über das vierte Quartal in Folge vergleichsweise konstant.
Auch ein breiter gefasster Blick auf die aktuellen Vierteljahreszahlen eröffnet ein deutlich optimistischeres Bild: Die Investitionssummen aus dem 2. Quartal 2023 bedeuten lediglich gegenüber den Rekordwerten aus 2021 und der ersten Hälfte des Jahres 2022 einen Rückgang – im Gesamtzusammenhang stellen sie eher eine Rückkehr zur Normalität dar. Tatsächlich sind Start-ups in den USA auf dem besten Weg, in diesem Jahr Kapital im selben Umfang wie im Jahr 2020 einzusammeln.
Bewertungen sinken
Ähnlich stellt sich die Situation bei den Bewertungen dar: Auch diese sind zuletzt gesunken. Die Studienbetreiber schreiben dies der neugewonnene Preisfestlegungsmacht der VC-Investoren zu, die ihre gute Verhandlungsposition zu ihrem Vorteil genutzt haben. Dementsprechend haben die durchschnittlichen VC-Bewertungen in den USA in nahezu allen Phasen eine weitere Korrektur erfahren. Die einzige Ausnahme stellt die Seed-Phase dar, hier fielen die Bewertungen geringfügig höher aus als im letzten Jahr.
Am stärksten war der Rückgang in der Venture-Growth-Phase, wo die durchschnittliche Bewertung um 62 Prozent auf rund 126 Millionen US-Dollar zurückging. Dies ist jedoch darauf zurückzuführen, dass die Bewertungen in dieser Finanzierungsphase in den Jahren 2021 und 2022 einen markanten Sprung nach oben gemacht hatten. Trotz der sinkenden Preise hielten sich die Bewertungen für Start-ups im Vergleich zu den Werten vor 2021 in den meisten Phasen auf einem hohen Niveau.
Positive Impulse für das internationale Wagniskapitalgeschäft
Die Ergebnisse des «PitchBook-NVCA Venture Monitors» zum zweiten Quartal 2023 weisen darauf hin, dass der Wagniskapitalmarkt in den USA nach den Korrekturen des vergangenen Jahres wieder an Boden gewinnt. Diese Festigung des US-Marktes stellt aus Sicht des Zürcher Finanzunternehmers Artan Qelaj ein positives Signal für das internationale Wagniskapitalgeschäft dar und ist eine gute Nachricht für die gesamte Wirtschaft, die von der Innovationskraft von Start-ups profitiert.
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