Die Situation für Anleger ist und bleibt auch 2022 wechselhaft und unberechenbar. Nach den mit der Corona-Pandemie verbundenen Erschwernissen kamen neben dem steigenden Inflationsdruck zu Beginn des Jahres zusätzliche Unwägbarkeiten in Form des Ukrainekonfliktes hinzu. Diese Konstellation an Unsicherheitsfaktoren eröffnet für Investoren ein breites Feld an Herausforderungen in der Anlageplanung. Artan Qelaj, Finanzunternehmer aus Zürich, wendet sich in einem Interview den Möglichkeiten zu, die sich in einem derartigen Umfeld mit Private Equity-Investments eröffnen. Dabei wirft er ebenso einen Blick auf die historische Performance der Anlageklasse wie auf deren Aussichten für die Zukunft.
Herr Qelaj, das Marktumfeld ist aktuell unbeständig und schwierig wie selten. Das verunsichert Anleger und stellt sie gleichzeitig vor Probleme, ihr Portfolio profitabel aufzustellen. Was sind Ihre Einschätzungen für das Anlagejahr 2022?
Artan Qelaj: Sie haben Recht, Anleger stehen momentan vor einer ausgesprochen anspruchsvollen Aufgabe. Die Börsen bleiben volatil, und Festzinsprodukte bieten wenig bis keine Aussichten auf auskömmliche Renditen. Besonders vor dem Hintergrund der steigenden Inflation ist das aktuelle Niedrigzinsniveau bei Fixed Income-Papieren ein Problem, schliesslich muss der laufende Kaufkraftverlust mit den Zinserträgen zusätzlich ausgeglichen werden.
Hinzu kommt eine Marktsituation, die von Unsicherheit geprägt ist. Dementsprechend sind sowohl private wie institutionelle Anleger auf der Suche nach alternativen Renditeträgern für ihre Investments, die auch in Krisenzeiten verlässlich performen. Hier kommt Private Equity mit seinen überdurchschnittlichen Erträgen ins Spiel, die gerade in wirtschaftlich schlechteren Zeiten besonders ausgeprägt sind.
Sie haben die überdurchschnittlichen Renditen angesprochen. Können Sie dazu etwas mehr sagen?
Artan Qelaj: Ja, eines der überzeugendsten Argumente für Private Equity ist deren Outperformance gegenüber klassischen Anlageklassen. Ein über 20 Jahre durchgeführter Langzeitvergleich von Cambridge Associates beispielsweise belegte für Private Equity durchschnittliche Jahresrenditen in Höhe von rund 10,5 Prozent. Über denselben Zeitraum liessen sich mit Investments in die Aktien des S&P 500 im Schnitt nur jährliche Erträge von etwa 5,9 Prozent erwirtschaften. Diese Überrenditen machen private Unternehmensbeteiligungen seit jeher so interessant.
Wie steht es mit dieser Outperformance in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs?
Artan Qelaj: Tatsächlich können Private Equity-Investments gerade in Zeiten schlecht laufender Märkte ihre Stärken ausspielen. Dies betrifft sowohl die Überrenditen als auch die Schwankungsanfälligkeit in turbulenten Zeiten. Historische Daten belegen, dass die Renditeunterschiede in schlechten Konjunkturphasen sogar noch deutlicher werden. In Krisenzeiten nimmt die Überlegenheit des privaten Beteiligungskapitals beispielsweise gegenüber Aktien also weiter zu.
Neben den überlegenen Renditen zeigt die historische Sicht zudem eine vergleichsweise geringe Volatilität von Private Equity-Investments. Gerade diese beiden Punkte machen die Anlageklasse zu einem Asset der Wahl für Anleger auf der Suche nach relativer Krisenstabilität.
Anleger sind mit Private Equity-Investments also auch in unsicheren Zeiten für die Zukunft gut aufgestellt?
Artan Qelaj: Schön, dass Sie das Thema Zukunftseignung von PE erwähnen, denn eine aktuelle Studie hat kürzlich genau das gezeigt: Dass sich Private Equity-Investoren mit der Anlageklasse für die kommenden Monate und Jahre gut gerüstet sehen. Im jüngsten Wealthcap-Marktcheck hat sich der Grossteil der befragten Investoren für Private Equity als zukunftsfähige Assetklasse ausgesprochen. Diese positive Einschätzung ist selbstverständlich eng mit der Stabilität und den Überrenditen gerade in Krisenzeiten verbunden. Die guten Noten in Sachen Zukunftsfähigkeit und die Zufriedenheit mit der Perfomance dürften auch der Grund sein, warum fast ein Viertel der befragten Grossanleger plant, die Allokationen in Private Equity in den kommenden Jahren noch zu erhöhen.
Sie erwähnten gerade Grossanleger. Doch Private Equity ist ja längst nicht mehr nur eine Assetklasse für Vermögende und institutionelle Investoren. Warum interessieren sich immer mehr Privatanleger für private Unternehmensbeteiligungen?
Artan Qelaj: Private Equity ist eine Anlageklasse, die in institutionellen Portfolios bereits seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle spielt und in den vergangenen Jahren weiter an Bedeutung gewonnen hat. Die überdurchschnittlichen Renditeaussichten machen privates Beteiligungskapital grundsätzlich für alle Anleger interessant, lange war ein derartiges Engagement auf dem Privatmarkt jedoch schon allein aufgrund der Mindestanlagesummen Grossanlegern vorbehalten. Doch dank Spezialvermittlern wie meinem Unternehmen in Zürich stehen Private Equity-Investments mittlerweile auch Privatanlegern mit entsprechendem Risikoprofil offen.
Das ist sicherlich einer der Gründe für das wachsende Interesse aus den Reihen der nicht-professionellen Investoren. Eine weitere Motivation dürfte in den anfangs bereits genannten Marktbedingungen zu finden sein, die Anleger auf der Suche nach Renditen zunehmend stärker in den Bereich der alternativen Investments ziehen.
Mit Ihrem Finanzunternehmen in Zürich vermitteln Sie Private Equity-Beteiligungen schwerpunktmässig an Unternehmen aus dem Gesundheitssektor. Warum dieser Branchenfokus?
Artan Qelaj: Der Healthcare-Sektor ist nicht zuletzt aufgrund seines hohen Innovationsniveaus seit Langem äusserst attraktiv für Investoren. In den letzten beiden Jahren hat sich eine weitere Eigenart des Anlagesegments zu einem Pluspunkt entwickelt: die relative Unabhängigkeit vom Konjunkturzyklus. Waren und Dienstleistungen im Pharma- und Healthcare-Bereich unterliegen in Rezessionsphasen in der Regel nicht den gleichen Nachfragerückgängen wie beispielsweise das produzierende Gewerbe.
Diese defensiven Qualitäten in wirtschaftlich angespannten Zeiten waren für Anleger beispielsweise im ersten Coronajahr sicherlich ein wichtiges Entscheidungskriterium zugunsten von Engagements in der Branche. Das belegen auch Zahlen aus dem Private Equity-Trend-Report 2021, der eine Konzentration von Private Equity-Kapital unter anderem in der Pharma-, Medizin- und Biotech-Branche aufdeckte.
2021 hat sich ja trotz der anspruchsvollen Rahmenbedingungen als ein gutes Jahr für Private Equity erwiesen. Doch wie sehen Sie die Zukunft – auch und gerade für den Fall, dass die aktuellen Krisen sich fortsetzen?
Artan Qelaj: 2021 war ein Rekordjahr für Private Equity weltweit und besonders in Europa. Die europäische PE-Branche konnte neue Höchstwerte sowohl beim Transaktionsvolumen als auch bei der Anzahl der Deals aufstellen. Dies ist neben reichlich angesammeltem Dry Powder sicherlich auch der steigenden Nachfrage unter den Privatanlegern zu verdanken.
Das macht Private Equity zu einem der wichtigsten Wachstumssegmente auf dem Markt der alternativen Anlagen. Und abgeschlossen ist das Wachstum noch lange nicht: Prognosen zufolge soll sich das weltweit verwaltete Vermögen in der Branche bis 2025 gegenüber dem Stand von Ende 2020 mehr als verdoppeln.
Auch im laufenden Jahr dürfte die Branche vom in der jüngsten Vergangenheit angesammelten Dry Powder profitieren: Dank zahlreicher Anleger mit aufgestauten Kapitalreserven erwarten Marktbeobachter eine Fortsetzung des starken Trends aus 2021.
Was die Perspektiven im Hinblick auf eine mögliche Fortsetzung der aktuellen Krisenlagen angeht, so punktet Private Equity ja wie gesagt gerade in einem schwierigen Kapitalmarktumfeld. Insofern würde ich es so ausdrücken: PE-Investoren können mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft schauen. Zudem halte ich es grundsätzlich mit der Devise, dass unsichere Zeiten besondere Möglichkeiten eröffnen. Das habe ich interessanterweise ziemlich genau vor einem Jahr in einem Interview gesagt – und dazu stehe ich noch heute.
Herr Qelaj, vielen Dank für das Interview.